Im Sommer 2010 litt ganz Russland unter Waldbränden, deren Rauchschwaden über den Nordpol hinaus sogar bis hin nach Nordamerika zogen. Das vom Start-up-Unternehmen DSK entwickelte System Lesnoj dosor will dafür sorgen, dass sich so eine Tragödie nicht wiederholt.


  

Sergej Titow, für Russland HEUTE

Nach Abschluss der Radiophysikalischen Fakultät der Staatlichen Universität Nischnij Nowgorod im Jahre 2009 entwickelte Iwan Schischalow im Gründerzentrum der Stadt ein System zur Beobachtung von Verkehrsstaus. Im gleichen Jahr wandten sich Mitarbeiter des Gebietsministeriums für Forstwirtschaft an das Gründerzentrum mit der Bitte um Hilfe bei der Schaffung eines Systems zum Aufspüren von Waldbränden.

Schischalow und sein Kollege Jaroslaw Solowjow beschlossen, sich an dem Projekt zu beteiligen und schlugen ein System vor, das dem Stauverfolgungssystem ähnelte. Das Prinzip basiert darauf, Videokameras auf den Masten der Mobilfunkgesellschaften zu installieren und die Entstehung von Bränden mithilfe einer von Schischalow und Solowjow entwickelten Software aufzuspüren.

Die Videokameras, die dazu in der Lage sind, einen Brand zu entdecken und dessen geografische Koordinaten elektronisch zu übermitteln, lieferte das Unternehmen Axis, mit  dem das Team bereits im Rahmen seines Verkehrsprojektes zusammengearbeitet hatte. Die Masten stellten die Forstbetriebe zur Verfügung. Das Projekt zeigte erste Erfolge.

Bereits im Jahre 2010 erhielten Schischalow und Solowjow neue Aufträge aus dem Gebiet Twer. Die Entwickler erkannten, dass man mit ihrer Idee Geld machen kann und gründeten unter dem Namen Distanzionnyje sistemy kontrolja (Ferngesteuerte Kontrollsysteme - DSK) ihre eigene Firma. Das System selbst nannten sie Lesnoj dosor(Waldwächter).

Spätestens als sie einen staatlichen Auftrag über 1,7 Millionen Rubel (43.000 Euro) erhielten und der Auftraggeber eine Vorfinanzierung ablehnte, begriffen die Jungunternehmer, dass sie Fremdkapital benötigen. Also beantragten sie staatliche Fördermittel und zogen gleichzeitig einen Investor an Land, der für sein Engagement eine fünfzigprozentige Beteiligung am Unternehmen erhielt.

Doch nach verheißungsvollem Start kam der erste Sand ins Getriebe. Trotz der verheerenden Brände im  Sommer des Jahres 2010 hielt sich die Zahl der Aufträge in Grenzen. Die Behörden ließen sich mit der Bearbeitung der Angebote sehr viel Zeit. Auch die Mobilfunkgesellschaften, auf deren Masten die Kameras und die Sensoren zum Aufspüren der Brände installiert werden sollten, unterstützten das Projekt nur widerwillig. Deshalb beschloss man bei DSK seinen landesweiten Bekanntheitsgrad unter potentiellen Auftraggebern und Investoren zu erhöhen. Fortan beteiligte sich das Unternehmen an den verschiedensten Innovationswettbewerben und Ausschreibungen für Jungunternehmen.

Und siehe da: Im Ergebnis einer dieser Wettbewerbe wurde Iwan Jesenin als Vertreter von DSK zum Gesamtrussischen Bildungsforum 2011 eingeladen. Jesenin nutzte die Gunst der Stunde und erläuterte Dmitrij Medwedjew die Schwierigkeiten bei der Einführung des Systems. Als Reaktion darauf beauftragte der damalige Präsident Russlands das Telekommunikationsministerium, das Problem mit den Mobilfunkgesellschaften zu klären. Im Ergebnis dieser Vermittlung schloss Lesnoj dosorein Abkommen über die Zusammenarbeit mit den Mobilfunkbetreibern MTS, Rostelekom und Megafon.

Die Unterstützung durch den ersten Mann im Staate wirkte sich zudem positiv auf die Auftragslage aus. Das Einsatzgebiet von Lesnoj dosor dehnte sich von fünf auf zwanzig Regionen Russlands aus. Auch Auftraggeber aus Belarus, Kasachstan und der Ukraine rannten nun dem Unternehmen die Türen ein, erinnert sich Schischalow.

Der  Umsatz von DSK betrug  im Jahre 2011 neun Millionen Rubel (ca. 225.000 Euro). Für 2012 werden 20 Millionen (ca. 500.000 Euro) erwartet. Für das Jahr 2013 rechnet der Generaldirektor mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 45-70 Millionen Rubel (ca. 410.000 – 1.750.000 Euro). An sich, so Schischalow, verkauft sein Unternehmen nur die software. Die Hauptauftraggeber seien staatliche Einrichtungen, die für den Brandschutz in den Wäldern zuständig sind. Das seien Forstbetriebe, die Ministerien für Forstwirtschaft in den einzelnen Regionen und seit Kurzem auch das Heimatschutzministerium Russlands.

Um sich nicht von staatlichen Aufträgen abhängig zu machen, plant das Unternehmen in den internationalen Markt einzusteigen. Neben den Ländern auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion seien, so erzählt Schischalow, auch Auftraggeber aus Osteuropa, Spanien und sogar Südafrika an der Software interessiert. Großen Wettbewerbsdruck verspüre er nicht, so der Unternehmensgründer. Auf dem Markt seien entweder nur universitätsnahe Projekte oder aber Lieferanten von Videoequipment, die das Ganze als ein Nebenprodukt führten, tätig. Kommerzielle Unternehmen gäbe es keine. „Es existieren natürlich Videoüberwachungssysteme, die zum Wachschutz und zur Gewährung der Sicherheit eingesetzt werden. Was allerdings die Genauigkeit beim Aufspüren von Waldbränden betrifft, gehören wir eindeutig zur Weltspitze“, unterstreicht der Generaldirektor.

Neben der Verhütung von Bränden sieht DSK auch noch andere Einsatzmöglichkeiten in der Videoüberwachung für seine Patente. Gegenwärtig verfügt das Unternehmen über zwei Patente und vier rechtlich geschützte Softwarelösungen.

Für die Expansion ins Ausland, aber auch für die Expansion zuhause benötigt man weiteres Kapital. Nicht zuletzt deshalb hat sich Lesnoj dosor unlängst im russischen „Silicon Valley“, dem Technologiepark Skolkowo, angesiedelt. Damit verbunden sind Steuererleichterungen und der Zugang zu  staatlichen Fördermitteln. Darüber hinausgehende Investitionen bleiben jedoch erforderlich.

Die Direktorin des Investmentfonds Softline Venture Partners Jelena Alexejewa hält das Projekt für in vielerlei Hinsicht einmalig. Ein zweites Hightech-Produkt dieser Art gäbe es gegenwärtig nicht auf dem Markt, so ihre Einschätzung. Der geschäftsführende Partner des Venturefonds Runa Capital, Dmitrij Tschichatschow, sagt, dass ein Investor in erster Linie die Risiken betrachte. Der Staat sei zwar ein großzügiger Kunde, doch das Bestreben, die Haushaltsausgaben zu optimieren, könnte zu einem dramatischen Rückgang der Aufträge führen. Deshalb sei die entscheidende Frage, ob DSK unter diesen Bedingungen genügend Kunden aus der Privatwirtschaft finden könne.

Auch der Direktor des  Investmentfonds Mint Capital, Kyrill Wesjolow, sieht Risiken auf Seiten der staatlichen Auftraggeber. Von solchen Kunden könne man nur schwer eine „hundertprozentige Konsequenz und wirtschaftliche Logik“ erwarten. Aber wenn man die Technologie nicht ausschließlich auf diesen Kundenkreis beschränkt betrachte, könne die Idee eine große Zukunft haben, gibt sich Wesjolow optimistisch.

PROFIL
Name: Lesnoj dosor Webseite: http://www.lesdozor.ru/en/
Beschreibung:
Spezielle Sensoren (Kameras, Infrarotkameras, Thermosensoren) werden an hohen Bauwerken inklusive Stromversorgung installiert. Die Kameras verfügen über eine Zoom-Funktion. Das System wird über das Internet gesteuert (Beobachtungswinkel, Vergrößerung, Abspeichern in eine Datei). Das Kontrollzentrum kann an jedem beliebigen Ort nach Vorgabe des Kunden untergebracht werden (einzige Voraussetzung: Breitband-Internetanschluss). Der Nutzer  überwacht den Wald mithilfe von Sensoren und einer speziellen Software. Ein Techniker kann bis zu zehn Sensoren überwachen.
Alleinstellungsmerkmal:
Das innovativste Element des Systems ist die Software Lesnoj dosor. Das Programm steuert das gesamte System und  gestattet es, Brände aufzuspüren und die geografischen Koordinaten automatisch zu ermitteln.
Gründungsdatum:
Dezember 2009
Finanzierung:
  • Regionale staatliche Fördermittel (4,4 Millionen Rubel)
  • Privatinvestitionen (mehr als 10 Millionen Rubel in den Jahren 2011 bis 2013)
  • Gewinne aus dem Verkauf
Entwicklungspläne:
Umsetzung des Projektes in 40 russischen Regionen und drei bis vier anderen Ländern, neue Softwareversion bis Ende 2013.
Kontakt:

Russland , 603141 Nishnij Nowgorod, p. Tscherepitschnyj 14, Büro 305, +7 (831) 411 55 97, info@lesdozor.ru

  


Source: russland-heute.de